Dr. jur. Christian Sailer
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Rechtsanwalt
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[Einführung] [Der öffentlich-rechtliche Status der Kirchen] [Die Folgen eines Geburtsfehlers] [Die Schutzpflicht des Staates gegenüber religiösen Minderheiten]

Rechtsanwalt Dr. Christian Sailer, Marktheidenfeld

Grenzen öffentlich-rechtlicher Kirchenmacht

Zur verfassungsrechtlichen Bewältigung einer neuen Inquisitionsbewegung

Jahrzehntelang war die Bekenntnis- und Weltanschauungsfreiheit in Deutschland eine Selbstverständlichkeit, die kaum auf die Probe gestellt wurde. Religion fand innerhalb der Amtskirchen statt. Seit dem Aufkommen neuer religiöser Bewegungen erlebt das Grundrecht aus Art.4 nun den Ernstfall: Es wird zunehmend auch von religiösen Minderheiten beansprucht. Diese werden von den Kirchen massiv bekämpft. Ist ein solcher Kampf öffentlich-rechtlichen Körperschaften einschränkungslos erlaubt? Ist der Staat zum Einschreiten berechtigt oder gar verpflichtet, wenn sie ihre Korporationsrechte mißbrauchen? Wann ist dies der Fall? Das Staatskirchenrecht ignoriert bislang solche Fragen. Angesichts der veränderten Verfassungswirklichkeit wird ihre Beantwortung immer dringlicher.

I. Einführung

Die Religionsverfassung ist ein Stiefkind des Grundgesetzes. Da sich die Verfassungsväter von Bonn über das Verhältnis von Staat und Kirche nicht einigen konnten[1] , übernahmen sie den Kompromiß ihrer Vorgänger von Weimar: Zwar soll es keine "Staatskirche" geben (Art.140 GG, 137 Abs.1 WRV), aber immerhin Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status, für die der Staat Steuern eintreibt (Art.140 GG, 137 Abs.6 WRV). Andere Gemeinschaften können diesen Status ebenfalls anstreben. (Art.137 Abs.5 WRV) "Die ungestörte Religionsausübung" wird privilegierten und nicht privilegierten Gemeinschaften in gleicher Weise "gewährleistet" (Art.4 Abs.2 GG) - ähnlich wie das Recht auf Eigentum dem Großgrundbesitzer und dem Sozialhilfeempfänger in gleicher Weise zusteht.

Was haben diese verfassungsrechtlichen Vorgaben im Lauf der letzten 50 Jahre bewirkt? Zwar entstand keine "Staats­kirche" (was immer das ist), aber eine staatlich geförderte Großkirche aus zwei Konfessionen, deren vielfältige Privilegien darauf angelegt sind, politische Vorherrschaft in Sachen Religion und Weltanschauung zu stabilisieren.[2] Nicht anders verhält es sich auch mit der staatlichen Unterstützung des kirchlichen Abwehrkampfes gegen religiöse Konkurrenz von Seiten sogenannter Sekten.[3] Die staatlich gestützte Dominanz zweier Religionsgemeinschaften wird um so fragwürdiger und die daraus resultierende Rückfrage an die Verfassung um so aktueller, je mehr diese Konfessionen an Anhängerschaft verlieren.[4] Wenn der Mantel der Volkskirche zu weit wird, weil das Volk abhanden kam, muß neu Maß genommen werden - am Verfassungstext, und nicht an staatskirchenrechtlichen Lehrgebäuden aus besseren Zeiten.

II. Der öffentlich-rechtliche Status der Kirchen

Ein rechtlicher Angelpunkt der Neuvermessung des Verhältnisses von Staat und Kirchen ist deren Stellung als Körperschaften öffentlichen Rechts. Der Wortlaut der Verfassung knüpft daran "nur" das Privileg der Steuererhebung. Doch der Begriff ist im Falle der Kirchen schillernd: Es geht nicht um den üblichen Körperschaftsstatus, also die eigenständige Erfüllung staatlicher Aufgaben unter staatlicher Aufsicht: Letzteres verbietet Art.137 Abs.3 WRV. Es geht aber auch nicht um eine eigene Hoheitsgewalt: Dies verbietet Art.137 Abs.1 WRV. Worum also geht es: um einen "rätselhaften Ehrentitel"[5], um einen besonderen "Öf­fentlichkeitsanspruch"[6], um einen "Kulturauftrag"[7], um einen "öffentlich-rechtlichen Gesamtstatus"?[8] Die wolkigen Interpretamente, die aus Art.137 Abs.5 herausdestilliert wurden, erwiesen sich jedenfalls als fruchtbarer Nährboden für immer neue kirchliche Einflußmöglichkeiten im staatlichen und halbstaatlichen Bereich, gleich ob gesetzlich verankert[9] oder nur politisch postuliert[10] oder einfach gesellschaftlich geduldet.[11]

1. Geschichtliche Entwicklung

Konkret faßbar wurde der Begriff öffentlich-rechtlicher Körperschaften erstmals im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794: Es definiert Gesellschaften, die einem fortdauernden gemeinnützigen Zweck dienen und vom Staat ausdrücklich genehmigt wurden, als "öffentliche" oder "privilegierte" Korporationen. Zu ihnen gehörten Stadtgemeinden, Zünfte und Universitäten. Von den bestehenden Religionsgesellschaften billigte das Allgemeine Landrecht nur den evangelisch-lutherischen, den evangelisch-reformierten und den katholischen Gemeinden diesen Status zu, wobei deren gemeinnütziger Zweck mit der bemerkenswerten Verpflichtung umschrieben wurde, den Kirchenmitgliedern "Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat und sittlich gute Gesinnung gegen ihre Mitbürger einzuflößen". (§ 14 Teil 2, Titel 11) Allein diese als öffentliche Korporationen anerkannten Bekenntnisse waren zur freien und öffentlichen Religionsausübung berechtigt. Sie waren ein Teil der "öffentlichen Gewalt" und unterlagen damit der staatlichen Aufsicht.

Die Brücke zur heutigen Regelung der Körperschaftsrechte der Kirchen bildet die Weimarer Reichsverfassung, deren Konfessionsregelung das Grundgesetz übernommen hat. Deshalb ist zunächst von Bedeutung, welchen Körperschaftsbegriff die Weimarer Nationalversammlung im Auge hatte. Sie fand eine ungeklärte Situation vor: Mit der verfassungspolitischen Forderung der Paulskirchenversammlung nach Trennung von Staat und Kirche, war die staatliche Einbindung der Kirchenkorporationen im Sinne des Preußischen Allgemeinen Landrechts brüchig geworden[12]. Dennoch hielten die deutschen Landesgesetzgeber an der Verbindung von Privileg und staatlicher Inpflichtnahme fest.[13] Die Nationalversammlung von Weimar versuchte sich mit der Feststellung aus der Affäre zu ziehen, daß eine "Definition des Begriffs der öffentlichen Körperschaft" nicht möglich sei.[14] Die Folge davon war, daß nach dem Inkrafttreten der Verfassung von 1919 ein wissenschaftlicher Streit entbrannte, der bis 1933 maßgeblich blieb: Während die Anhänger der "Korrelationstheorie" mit der privilegierten Stellung der Kirchen staatliche Aufsichtsbefugnisse verbanden, berief sich die Gegenmeinung auf die in der Verfassung verankerte Trennung von Staat und Kirche, die eine spezifische Staatsaufsicht ausschlösse. In der Gesetzgebung der Länder (Preußen, Württemberg, Baden und Sachsen) behielt man die rechtsaufsichtliche Integration der kirchlichen Korporationen in den Staat bei. Im Ergebnis blieb es auch unter der Weimarer Verfassung bei dem Körperschaftsbegriff des Preußischen Allgemeinen Landrechts.[15]

An diese Situation knüpfte der Parlamentarische Rat 1948/49 faktisch an, als er sich entschloß, die Konfessionsartikel der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz zu übernehmen - als Kompromiß auf Vorschlag der FDP (Höpker-Aschoff und Heuss) und in Abwehr der von den Unionsparteien, dem Zentrum und der DP vertretenen kirchlichen Maximalforderungen nach einer verfassungsrechtlichen Anerkennung der "Bedeutung der Kirchen für die Wahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlage des menschlichen Lebens".[16]

2. Ideologie als Staatskirchenrecht

Doch "wenn zwei Grundgesetze dasselbe sagen, so ist es nicht dasselbe", verkündete bereits zwei Jahre später ein Altmeister des Verfassungsrechts, Rudolf Smend: Die Auslegung der übernommenen Weimarer Verfassungsartikel müsse die "unabdingbare Haltung" der Kirche berücksichtigen und ihr den vom Nationalsozialismus bestrittenen Freiraum gewährleisten. Darin liege das "gegenüber der Vergangenheit Neue und Andere".[17] Ihm folgten ein Jahr später auf der Marburger Staatsrechtslehrertagung zur "Gegenwartslage des Staatskirchenrechts" zwei prominente Kollegen: Werner Weber sprach vom theologisch kirchlichen Öffentlichkeitsanspruch, der den Kirchen in Verbindung mit ihrem öffentlich-rechtlichen Status eine Position verleihe, die mit der eines Standes im Ständestaat vergleichbar sei.[18] Und Hans Peters schwärmte von einem Wendepunkt des Staatskirchenrechts, in dem es darum gehe, den Kirchen Einfluß auf die Verwirklichung einer vom christlichen Geist getragenen und durchwebten Gesellschaftsordnung zu sichern.[19]

Erst allmählich meldeten sich Stimmen, die vor dem großzügigen Umgang mit dem Wortlaut der Verfassung warnten und die Rückkehr zur juristischen Methodik forderten.[20] Unterstützt wurde dies durch den gesellschaftlichen Wandel der 60er und 70er Jahre. Die Renaissance der Kirchen in der Nachkriegszeit ging zu Ende; wirtschaftliche und politische Entfaltungsmöglichkeiten wurden wichtiger; die Autorität der kirchlichen Institutionen schwand und das Mißverhältnis zwischen ihrer Macht und ihrer geistigen Ausstrahlungskraft trat auch ins Bewußtsein von Verfassungsinterpreten.[21] Doch man kehrte nicht wirklich zum Verfassungstext zurück: Nachdem der Ehrentitel einer öffentlich-rechtlichen Kirchenkörperschaft seinen religiösen Glanz verloren hatte, wurde er weltlich aufpoliert: Die Sonderstellung der Kirchen wurde nun im Rahmen eines "verbandspluralistischen Modells" legitimiert, in dem den Kirchen neben Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Rundfunkanstalten eine Vorreiterrolle zukomme.[22] Auch die Grundrechte mußten herhalten: Ihre leistungsrechtliche Komponente, die auch in Art.4 GG enthalten sei, finde in der Verflechtung zwischen Staat und Kirche ihren Ausdruck.[23] Zu einem weiteren Legitimationsgrund einer Sonderstellung wurde die Leistungsfähigkeit der Kirchen im kultur- und sozialstaatlichen Bereich.[24]

3. Die ratio constitutionis und die Wirklichkeit

Für die Auslotung der öffentlich-rechtlichen Stellung der Kirchen ist eine Rückbesinnung auf die erste Kodifizierung kirchlicher Körperschaftsrechte im Preußischen Allgemeinen Landrecht erforderlich, denn von dort wurde sie in die Weimarer Reichsverfassung und von dieser wiederum in das Grundgesetz übernommen. Die vom ALR ausgesprochene Verpflichtung, den Kirchenmitgliedern Ehrfurcht gegen Gott, Gehorsam gegen die Gesetze und gute Gesinnung gegen ihre Mitbürger einzuflößen, blieb auch unter dem Grundgesetz Legitimationsgrund des Korporationsstatus, zumal bei seinem Inkrafttreten die weitaus meisten Bürger zugleich Kirchenmitglieder waren. Nach Friesenhahn ist die Pflege von Gemeinschaftsinteressen im Bereich des Öffentlichen Kennzeichen auch einer kirchlichen Körperschaft öffentlichen Rechts.[25] Ähnlich spricht Kirchhof von der "'öffentlichen' Erwartung an eine gesellschaftsdienliche Aufgabenstellung", einem "moralisch-ethischen" Mandat; der öffentlich-rechtliche Status nehme die Gemeinnützigkeit der jeweiligen Religionsgemeinschaft und ihres Handelns auf.[26] Im Verhältnis zum Staat führt diese Gemeinwohlbindung öffentlich-rechtlich privilegierter Religionsgemeinschaften zu besonderen Verpflichtungen, die über die allgemeine Rechts- und Verfassungstreue hinausgehen, wie das Bundesverwaltungsgericht jüngst im Streit um den Korporationsstatus der Zeugen Jehovas feststellte. Das Gericht spricht vom Erfordernis der "Gemeinwohl­dienlichkeit" einer Religionsgemeinschaft, die einen öffentlich-rechtlichen Status in Anspruch nehmen will, und verneint die Möglichkeit einer Verleihung der Körperschaftsrechte, wenn nicht sicher ist, daß eine verläßliche Loyalität zu den demokratischen Prinzipien gegeben ist.[27]

Das sind hehre Prämissen, auf die sich die Kirchen auch stets beriefen. Was wäre eigentlich, wenn sie in Wirklichkeit gar nicht vorlägen? Diese Frage scheint tabu zu sein, weshalb ihre staatskirchenrechtlichen Folgen noch nie erörtert wurden. Dabei war sie stets aktuell.

Im selben Jahr, in dem der Parlamentarische Rat in Bonn zusammentrat, um einen Grundrechtskatalog zu formulieren, der die Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet, war in der römischen Jesuitenzeitschrift "Civiltá Cattolica" zu lesen: Da die Katholische Kirche die allein wahre Kirche sei, könne nur sie das Recht auf Freiheit beanspruchen, da dieses Recht allein der Wahrheit und niemals dem Irrtum zukomme. In einem Staat, in dem die Mehrheit katholisch sei, werde sie verlangen, daß dem Irrtum kein Raum gegeben werde.[28] Das geschah unter dem Pontifikat Pius XII., der ebenso wie seine Vorgänger die Anerkennung von Religionsfreiheit und Toleranz stets ablehnte - bis hin zu seiner sogenannten Toleranzansprache des Jahres 1953: "Die Pflicht, sittliche und religiöse Irrtümer zu unterdrücken" hielt er nur aus taktischen Gründen für suspendierbar - "um ein höheres Gut zu verwirklichen".[29] Ein Staat, der jedem Bürger gleiche Gedanken- und Überzeugungsfreiheit gewährt, war für die Kirche weiter undenkbar. Böckenförde resümiert zu recht: "Diese Theorie war prinzipiell sozial unverträglich."[30]

Daß eine Religionsgesellschaft, die eine zentrale Freiheitsgarantie des Grundgesetzes explizit ablehnt, vom Parlamentarischen Rat den privilegierten Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen bekommt, ist ein krasser Selbstwiderspruch der Verfassungsgebung. Er verschärfte sich jüngst durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das den Zeugen Jehovas im Rahmen desselben Grundgesetzes den Körperschaftsstatus bereits deshalb verweigerte, weil ihre Mitglieder nicht zur Wahl gehen.[31]

III. Die Folgen eines Geburtsfehlers

1. Eine neue Inquisition

Die Anerkennung von Religionsgemeinschaften mit einem "sozial unverträglichen" Freiheitsverständnis als geborene Körperschaften öffentlichen Rechts ist ein Geburtsfehler des Staatskirchenrechts, der nicht ohne Folgen blieb. Seit die Großkirchen unter Mitgliederschwund leiden und neue religiöse Bewegungen entstehen, keimt ihr alter Inquisitionsgeist wieder verstärkt auf. Katholische Bischöfe und Evangelische Landeskirchen unterhalten sogenannte Sekten- und Weltanschauungsbeauftragte, die gegen neue religiöse Bewegungen mit harten Bandagen kämpfen. Die religiösen Konkurrenten werden pauschal als "gefährliche Sekten" charakterisiert, wobei ihnen negative Eigenschaften zugesprochen werden, die man vorwiegend aus der kirchlichen Vergangenheit kennt: Absolutheitsansprüche, totalitäre Vereinnahmung von Mitgliedern, pekuniäre Begehrlichkeit. Wer von Kirchenräten und Prälaten das Sektenetikett angeheftet bekommt, wird zum Außenseiter der Gesellschaft, dem man als Gemeinde keine Info-Stände genehmigt, als Hotel keine Vortragsräume vermietet und von dem man als Zeitung keine Anzeigenaufträge entgegennimmt.[32] Es ist keine Übertreibung, von einer "Sekten­jagd" zu sprechen, die teilweise faschistische Züge trägt.[33] Den kirchlichen Sektenbeauftragten schlossen sich inzwischen staatliche Kollegen an, die in Form von staatlichen Warnungen unbesehen weiterreichen,[34] was sie an kirchlichen Projektionen geliefert bekommen. Der Korporationsstatus ermöglicht es den Kirchen, mit dem Staat gewissermaßen von Amtsträger zu Amtsträger zu verhandeln und beim Kampf gegen Andersgläubige in der Öffentlichkeit wie Sachverständige aufzutreten, obwohl man apologetische Interessen verfolgt. Läßt es die Dignität und Gemeinwohlverpflichtung des Korporationsstatus zu, daß man sich einerseits als staatstragender Dr. Jekyll hofieren läßt und andererseits als Mr. Hyde eine rüde Ketzerjagd inszeniert?

Was passiert eigentlich, wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sich in einen Kampfbund verwandelt, und nicht nur die Grenzen der "guten Gesinnung" (ALR), sondern auch die Gesetze verletzt? "Die kirchlichen Körperschaftsrechte bleiben hiervon unberührt" - antwortete kürzlich die Ev.-Luth. Kirche dem Verfasser in einem Rechtsstreit, in dem diese Frage eine Rolle spielte. Das Grundgesetz sehe keine Möglichkeit vor, den Kirchen ihren privilegierten Rechtsstatus zu entziehen.[35] Auch wenn sie sich noch so gesetzwidrig verhielten? Und dies, obwohl von Aspiranten auf den öffentlich-rechtlichen Status einer Religionsgemeinschaft selbstverständlich Rechtstreue verlangt wird.[36] Ist es unter diesen Umständen mit Art.3 GG vereinbar, davon auszugehen, daß den Kirchen ihr privilegierter Status vorbehaltlos gewährt ist? Wurde er ihnen möglicherweise von Anbeginn zu Unrecht gewährt - ohne Rücksicht auf ihre Gemeinwohlbezogenheit allein deshalb, weil sie Volkskirchen waren? Und bleibt er ihnen ewig erhalten, auch wenn sie keine Volkskirchen mehr sind? Hier tun sich Abgründe von möglicherweise verfassungswidrigem Verfassungsrecht und verfassungswidrigem gesetzgeberischen Unterlassen auf, die bislang kaum inspiziert wurden.

2. Rechtspolitische Abhilfe

Eine eindeutige Lösung ist nur dem Verfassungsgeber selbst möglich. Da die Volkskirche offensichtlich zum Auslaufmodell geworden und damit die Geschäftsgrundlage der verfassungsrechtlich fragwürdigen Kirchenprivilegierung weggefallen ist,[37] liegt es nahe, sie per (klarstellende) Verfassungsänderung zu streichen. Die Zeiten, in denen das Staatsvolk zugleich das Kirchenvolk war, sind längst vorbei. Die Privilegien einer Volkskirche kommen inzwischen einer religiösen Randgruppe von Gottesdienstbesuchern  zugute, die kaum mehr als 7,5 % der Bevölkerung ausmacht und weiterhin rückläufig ist.[38]; vor allem aber einer Kirchenbürokratie, die ihre Legitimation zu 90% aus Steuerlisten ableitet, die ohne staatliche Beitreibungshilfe längst Makulatur wären. Für sie war das Privileg einer öffentlich-rechtlichen Stellung nicht gedacht. Was gesellschaftlich überholt und geistig nicht mehr mit Leben erfüllt ist, wird eines Tages auch rechtlich obsolet.[39] Bevor sich die Zweifel an der Entstehung der kirchlichen Privilegien und die Zweifel an ihrem Fortbestand zum politischen Ärgernis verdichten, sollte der Deutsche Bundestag dem Umstand Rechnung tragen, daß wir nicht mehr im Jahr 1794 leben.

Will man dennoch an dem bestehenden Zustand festhalten, kann man nicht länger der Frage ausweichen, welche Folgen es hat, wenn eine öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaft ihrer raison d'étre nicht mehr gerecht wird, weil sie sich auf Dauer nicht "gemeinwohldienlich" verhält oder weil nicht mehr sicher ist, daß eine verläßliche Loyalität zu den demokratischen Prinzipien gegeben ist, wie es jüngst das Bundesverwaltungsgericht für Bewerber um den öffentlich-rechtlichen Status postulierte. Können für diese höhere Anforderungen gelten als für die Altkorporierten? Nur dann, wenn der Verfassungsgeber für letztere auf die besonderen Gemeinwohlvoraussetzungen verzichten wollte und die Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften auch in diesem Punkt (und nicht nur durch einen Vertrauensvorschuß für Traditionsgemeinschaften) durchbrechen wollte. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof, der - wohl als erstes Verfassungsgericht - jüngst im Rahmen eines Popularklageverfahrens mit dieser Frage befaßt war, meinte dazu, daß die unterschiedlichen Anforderungen für geborene und gekorene Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts durch "die historische Entwicklung und durch die sachlichen Unterschiede zwischen den beiden Arten von Religionsgemeinschaften gerechtfertigt" seien.[40]

Gegen eine solche Annahme spricht, daß der parlamentarische Rat den Korporationsstatus der Großkirchen nicht neu geschaffen, sondern aus der Weimarer Reichsverfassung übernommen hat, die wiederum an das Allgemeine Preußische Landrecht anknüpfte. Damit übernahm er auch das Erfordernis der Gemeinwohlbezogenheit und besonderen Staatsloyalität der ursprünglichen Anerkennung des öffentlich-rechtlichen Status der Kirchen. Das Bundesverfassungsgericht spricht, wie schon erwähnt, von der "Aner­kennung der besonderen Bedeutung der öffentlichen Wirksamkeit einer Religionsgesellschaft".[41] Fehlt es an diesen Gemeinwohlvoraussetzungen, ergibt sich in Verbindung mit den Erfordernissen der Verleihung der Körperschaftsrechte an andere Religionsgemeinschaften ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Der Konflikt läßt sich nur dadurch lösen, daß die den Gemeinwohlvoraussetzungen einer öffentlich-rechtlichen Stellung nicht mehr gerecht werdende Körperschaft diese Rechtsstellung verliert. Da dies nicht eo ipso geschieht, ist dazu ein staatlicher Hoheitsakt erforderlich. Soweit die Ermächtigung hierzu nicht unmittelbar der Verfassung zu entnehmen ist, was zum Schutz zentraler Verfassungswerte möglich ist,[42] muß jedenfalls der Gesetzgeber die Möglichkeit eines Rechtsentzugs vorsehen.

IV. Die Schutzpflicht des Staates gegenüber religiösen Minderheiten

Wo Grundrechtspositionen verletzt werden oder auch nur gefährdet sind, ist der Staat, erforderlichenfalls in Gestalt des Gesetzgebers, zum Schutz verpflichtet.[43] Dieser Schutzpflicht entspricht auf Seiten des verletzten oder gefährdeten Grundrechtsträgers, hier: der nicht privilegierten Religionsgemeinschaften, ein subjektives Recht. Das Bundesverfassungsgericht hat dies dadurch bestätigt, daß es die Geltendmachung der Vernachlässigung von grundrechtlichen Schutzpflichten im Wege der Verfassungsbeschwerde zuläßt.[44] Geboten ist und verlangt werden kann "der Erhalt der faktischen Funktionsfähigkeit der bedrohten Freiheit".[45]

1. Die aktuelle Grundrechtsgefährdung

Aufgrund des gegenwärtigen Verhaltens der beiden Großkirchen gegenüber religiösen Minderheiten geht es nicht mehr bloß um gesetzliche Vorkehrungen gegen potentielle Verletzungen religiöser Gleichberechtigung, sondern um höchst aktuellen Schutz vor Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit, der Berufsfreiheit und anderer Grundrechtspositionen: Es geht längst nicht mehr bloß um Rufschädigungen, denen gegenüber Art.2, Abs.1, Art.1, Abs.1 GG i.V. mit den ehrenschutzrechtlichen Bestimmungen des Zivil- und Strafrechts (notdürftigen) Schutz bieten. Angesichts der Schärfe und Häufigkeit kirchlicher "Warnungen" vor "gefährlichen Sekten" erleiden die neuen religiösen Gemeinschaften und ihre Anhänger nicht nur eine Ansehensminderung, sondern sie werden zu Feinden der Gesellschaft stigmatisiert.

Eine Rechtfertigung der systematischen Aushöhlung der Grundrechte religiöser Minderheiten, von denen auch nach den Feststellungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags keine Gefahren für Staat und Gesellschaft ausgehen[46], ist nicht möglich. Im Gegenteil: Der Vernichtungsfeldzug kirchlicher Sektenbeauftragter dürfte inzwischen Dimensionen angenommen haben, die der Gesetzgeber in die Kategorie "Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" einreiht (Art.3, Abs.1, Ziff.1 BayVSG), denn zu dieser Ordnung rechnet er u.a. "die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten" (Art.1, Abs.2 BayVSG).

2. Der Mißbrauch einer öffentlich-rechtlichen Stellung

Daß die faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen auf Seiten religiöser Minderheiten möglich wurden, ist auf die besondere Stellung der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts zurückzuführen, die ihnen Ansehen, Steuermittel, und vielfältigen Einfluß auf Presse, Hörfunk und Fernsehen bringt - nicht zuletzt dank ihres unmittelbaren Zugangs zu den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Medien und ihrer millionenschweren Beteiligung an der Produktion von Rundfunk- und Fernsehprogrammen.[47] Die neuen religiösen Bewegungen stehen den Kirchen in einem David-Goliath-Verhältnis gegenüber. Dieses Ungleichgewicht zwischen zwei Grundrechtsträgern ist aber von der Verfassung gerade nicht gewollt und führt zu besonderen Rücksichtnahmepflichten des Stärkeren. Andernfalls ist der Grundrechtsschutz in Gefahr und der Staat zum Eingreifen verpflichtet, wie es das Bundesverfassungsgericht bspw. zum Schutz der Vertragsfreiheit in Fällen von krassen Ungleichgewichtslagen festgestellt hat.[48] Ähnliches gilt nicht nur für Ungleichgewichte, die die Privatautonomie des Zivilrechts gefährden, sondern auch für Ungleichgewichte bei der Grundrechtsausübung gem. Art.5 oder Art.4 GG: Die öffentlich-rechtlichen Kirchen nutzen die Religionsfreiheit als "Amtskirche", die darüber bestimmt, wer als "Sekte" zu gelten hat und damit von der Religionsfreiheit nur mehr rudimentär Gebrauch machen darf. Dieses Ungleichgewicht erhöht die verfassungsrechtliche Unverträglichkeit der kirchlichen Verhaltensweisen.

So lange der Gesetzgeber keine Vorkehrungen dagegen trifft, daß die Kirchen ihre öffentlich-rechtliche Stellung auf diese Weise mißbrauchen, verletzt er seine grundrechtliche Schutzpflicht. Er muß gesetzliche Möglichkeiten bereithalten, um diesem Mißbrauch zu begegnen, nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in abgestufter Form: von der Abmahnung über die Einstellung staatlicher Kirchensteuerbeitreibung bis hin zum Entzug der öffentlichen Rechtsstellung.



[1] vgl. zu den Kontroversen im Parlamentarischen Rat, Peter Badura, HdbStKirchR, Bd.I, Berlin 1994, S.236 ff sowie Markus Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten im Verhältnis von Staat und Kirchen unter dem Grundgesetz, Baden-Baden 1993, S.28 ff

[2] Hans Alberts, NVwZ 1994, S.1150 spricht von einem "Zwei-Klassen-Recht"; vgl. ausführlich Gerhard Czermak, Staat und Weltanschauung, Berlin-Aschaffenburg, 1993, S.252 ff, der seiner Darstellung der Fülle kirchlicher Privilegien die Feststellung vorausschickt: "Wer sich zum Verhältnis Staat - Kirche - Gesellschaft in der Bundesrepublik (alt) schon einmal Gedanken gemacht hat, ohne allzu naiv und mit Blindheit geschlagen zu sein, wird angesichts der tatsächlichen Verhältnisse wohl kaum auf die Idee verfallen können, wir lebten in einem weltanschaulich neutralen Staat".

[3] Nachdem jahrelang die meisten Landesregierungen in mehr oder weniger umfangreichen Berichten über neue religiöse Bewegungen vor so gut wie jeder außerkirchlichen Gemeinschaft warnten, erreichte die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat ihren Höhepunkt durch die Einsetzung der Enquete-Kommission 'Sog. Sekten und Psychogruppen' des Deutschen Bundestags, die entgegen den dramatischen Ankündigungen allerdings wenig Gefährliches zutage förderte, aber dafür die Inquisitionstätigkeit von Kirche und Staat erheblich intensivieren will, vgl. dazu Kriele, ZRP 1998, S.231 ff und S.349 ff; vgl. zum ganzen auch Besier, Konzern Kirche, Neuhausen-Stuttgart, 1997, S.157 ff - "Kirche und Staat gegen 'Sekten und Psychogruppen'" -

[4] vgl.hierzu die Ausführungen Besiers, a.a.O. (Fußn.3) S.188 ff - "Säkularisierung der bundesdeutschen Gesellschaft" -

[5] Rudolf Smend, ZevKR 1 (1951), S.9

[6] Werner Weber, VVDStRL 11, S.174; vgl.zu den theologischen Wurzeln dieses Anspruchs und seiner Untauglichkeit als Rechtsfigur einer kirchlichen Mitgestaltung der öffentlichen Ordnung Hermann Weber, Religionsgemeinschaft als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, Berlin 1966, S.79 ff

[7] Paul Kirchhof, Die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts in: HdbStKirchR Bd.I, 2. Aufl., Berlin 1994, S.667

[8] Marré/Schlief, NJW 1965, S.1514; kritisch dazu Hermann Weber, a.a.O. (Fußn.6), S.59 ff, 85 f, der nachweist, daß die Korporationsqualität einen solchen Gesamtstatus nicht enthält

[9] z.B. die Kirchenvertretung in Rundfunk- und Fernsehräten, die Militärseelsorge oder der Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen

[10] Teilweise konträr zur Verfassung, wie der politische Aufstand gegen das Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichts zeigte, bei dem Vertreter von Staat und Kirche gemeinsam aus der Rolle fielen - bspw. der vormalige bayerische Kultusminister Hans Maier, der im Fernsehen zum Widerstand (!) aufrief.

[11] Es ist kein Zufall, daß der Doyen des Diplomatischen Korps immer noch der päpstliche Nuntius ist und daß bei Staatsempfängen Bischöfe und Prälaten in den vordersten Reihen sitzen - obwohl in den Bänken ihrer Kirchen fast niemand mehr sitzt.

[12] Gerd Schmidt-Eichstaedt, Kirchen als Körperschaften öffentlichen Rechts, Berlin, 1975, S.20

[13] Schmidt-Eichstaedt, a.a.O. (Fußn.12), S. 30

[14] So der bei Schmidt-Eichstaedt, a.a.O. (Fußn.12), S.36 zitierte Berichterstatter Dr. Mausbach vor der Nationalversammlung; der Abgeordnete Naumann sprach von einem "notwendigen Hilfsbegriff" zur Erreichung des Besteuerungsrechts

[15] vgl.zum "Streit um die Korrelationstheorie", zu der Reaktion der Länder und zum Gesamtergebnis insbesondere Schmidt-Eichstaedt, a.a.O. (Fußn.12), S.37 ff

[16] Antrag vom 29.11.1948, vgl.hierzu den Bericht von Kleine, a.a.O. (Fußn.1), S.28 ff, 30 f

[17] Smend, a.a.O. (Fußn.5), S.10

[18] VVDStRL 11, S.174 f

[19] VVDStRL 11, S.177 ff

[20] vgl. bspw. Herbert Krüger, der sich als erster gegen eine Neuauflage der Koordinationslehre wandte, ZevKR 6, 72 ff; ferner Ernst Werner Fuss, der betonte, daß das positive Recht des Grundgesetzes den Staat daran hindere, sich die Auffassung der Kirchen über ihr Verhältnis zum Staat zueigen zu machen, Kirche und Staat unter dem Grundgesetz in Quaritsch/Weber (Fußn.21), S.233 ff, 243; Quaritsch a.a.O., S.190, der feststellt, daß für den Juristen ein methodischer Konflikt "kirchlicher" und "staatlicher" Blickweise nicht denkbar sei, weil er nur vom Fundament der Verfassung ausgehen könne; auch Konrad Hesse, Staatskirchenrechtliche Voreiligkeiten?, ZevKR 6, 177 ff wird vorsichtiger und warnt vor bekenntnisbezogener Standortgebundenheit im Staatskirchenrecht. An die Gedanken von Quaritsch knüpft die Analyse Hermann Webers, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, Berlin 1966, S 21 an.

[21] so ausdrücklich Hesse, Freie Kirche im demokratischen Gemeinwesen, ZevKR 11, S.346 (mit Nachdenklichkeit angesichts seiner ursprünglichen Maximalforderungen, vgl.oben Fußn.20): "Das für die gegenwärtige Lage kennzeichnende Ausmaß institutioneller Sicherung, die umfassende Beteiligung der verfaßten Kirchen an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und ihr politischer Einfluß, Inhalt und Ausdruck jener Partnerschaft, müssen fragwürdig werden, wenn der Position äußerer Stärke keine solche innere Stärke entspricht, wenn die geistliche Kraft und Ausstrahlungswirkung der Kirchen im Mißverhältnis steht zu jener - rechtlich oder nur faktisch - umfassenden Sicherung, Wirkung und Einflußnahme"; ferner Ernst Gottfried Mahrenholz, Die Kirchen in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, 2.Aufl., Hannover 1972, passim, sowie Erwin Fischer, Trennung von Staat und Kirche, 2.Aufl. Berlin 1971; passim; politisch wagte sich die FDP 1973 mit einem aufsehenerregenden Kirchenpapier aus der Reserve, in dem sie eine Revision des Körperschaftsstatus und eine Abschaffung der Kirchensteuer forderte; vgl.hierzu Kleine a.a.O. (Fußn.1), S.80

[22] so vor allem Klaus Meyer-Teschendorf, Der Kooperationsstatus der Kirchen AöR 103 (1978), S. 289 ff

[23] Peter Häberle, Staatskirchenrecht als Religionsrecht der verfaßten Gesellschaft, in: Mikat (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, Darmstadt 1980, S.462 ff

[24] vgl. Meyer-Teschendorf a.a.O. (Fußn.25), S. 319 ff

[25] Ernst Friesenhahn, Die Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechts, HdbStKirchR, Bd.I, 1.Aufl. 1974, S.545: "Die öffentliche Aufgabe legitimiert den öffentlich-rechtlichen Status der Religionsgemeinschaften; die Anerkennung als öffentliche Körperschaft gilt einer dem Staat parallel wirkenden, die Realität einer freiheitlichen Demokratie stützenden Ordnungsmacht." Hier wiederholt sich ein Begriff, den Hesse 1959 (vgl. oben Fußn.20) geprägt hat.

[26] Kirchhof, a.a.O. (Fußn.7); vgl. auch Josef Isensee, Verfassungsstaatliche Erwartungen an die Kirche in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche (25), Münster 1991, S.120 f, der auf die positiv rechtliche Umschreibung dieser religiös-sittlichen Aufgaben für das Gemeinwohl in einzelnen Landesverfassungen hinweist.

[27] BVerwGE 105, S.117 ff

[28] Zit.bei Ernst-Wolfgang Böckenförde, Schriften zu Staat - Gesellschaft - Kirche Bd.III, Religionsfreiheit, Freiburg 1990, S.41

[29] Zit.bei Böckenförde a.a.O., (Fußn.32), S.43

[30] ebd. S.44

[31] BVerwGE 105, 117 ff

[32] vgl. zu Einzelheiten die bei Gerhard Besier/Erwin K.Scheuch (Hrsg.), Die neuen Inquisitoren, Zürich/Osnabrück 1999, Bd.II, dokumentierte Petition der Glaubensgemeinschaft Universelles Leben an den Deutschen Bundestag

[33] Kriele, ZRP 1998, S.231 ff und S.349 ff; derselbe in Zeit-Fragen Nr. 11/12 1998

[34] vgl.dazu erneut die Dokumentation bei Besier/Scheuch (Hrsg.), a.a.O. (Fußn.36); ferner Hubertus Mynarek, Die neue Inquisition, Marktheidenfeld 1999, passim

[35] So auch Maunz in Maunz-Dürig GG Rdnr. 32, zu Art.140, der - allerdings nicht im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung - feststellt, daß eine Entziehung der Körperschaftsrechte nur per Verfassungsänderung möglich wäre. Im Falle schwerer Gesetzesverstöße, die Verfassungsverstöße einschließen könnten, würde dies zu dem paradoxen Ergebnis führen, daß die Beachtung der Verfassung nur durch eine Änderung der Verfassung erzwungen werden könnte; Hermann Weber, Die Verleihung der Körperschaftsrechte an Religionsgemeinschaften, ZevKiR 34 (1988), S. 337 ff behandelt die Möglichkeiten des Entzugs der Körperschaftsrechte nur unter dem Aspekt des Mitgliederschwunds und des Wegfalls der Gewähr der Dauer (S.362); ebenso Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften im Staatskirchenrecht der Bundesrepublik, München 1974, S.144 ff; in diesem Sinne auch Friesenhahn, a.a.O. (Fußn.29), S. 554 und v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl. 1996, S. 148

[36] vgl. neben BVerwGE 105, 117 ff aus dem Schrifttum vor allem Hermann Weber, a.a.O. (Fußn.40), S.356 m.w.N.w.; in Art. 43 Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen Verfassung ist dies sogar ausdrücklich festgelegt.

[37] Renck, BayVBl 1999, S.76; vgl. zum Ganzen auch Erwin Fischer, Volkskirche ade!, Berlin und Aschaffenburg 1993 (umbenannte 4. Aufl. des Buches Trennung von Staat und Kirche

[38] Lt.Stat.Jahrbuch des Bundesamts f.Statistik 1997, S.96 ff gingen zum Stand v.31.12.1996 von 27.229.000 Katholiken 4.957.000 und von 27.659.000 Protestanten 1.410.000 zum Sonntagsgottesdienst, woraus sich bei einer Gesamtbevölkerung zum selben Stichtag von 82.012.162 die Zahl der Gottesdienstbesucher mit 7,8% der Bevölkerung errechnet; die Besucherzahlen sind weiter rückläufig, was lt.Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.11.1998 zwischen 1996 und 1997 allein bei den Katholiken zu 200.000 Kirchenbesuchern weniger führte.

[39] vgl. dazu Robbers, Festschrift für Benda 1995, 209 ff sowie Renck, a.a.O. (Fußn. 42), 76; Hesse a.a.O. (Fußn. 24), S.355, bemerkte deshalb schon 1964 ahnungsvoll: "Wenn (daher) ein notwendiger Zusammenhang zwischen Öffentlichkeitsauftrag, öffentlicher Bedeutung und öffentlich-rechtlicher Stellung der Kirche nicht besteht, so bleibt nur die historische Rechtfertigung, die aber im modernen Staat fragwürdig werden muß, weil in ihm jedes historische Recht, das sich nicht mehr aktuell zu legitimieren vermag, verjährt."

[40] Entsch. v.18.11.1998, BayVBl 1999, S.144

[41] BVerfGE 19, 133

[42] vgl. BVerwGE 82, 76 ff (79) - TM; 87, 37 ff - Glykol; 90, 112 ff (121) - Osho; BVerfGE 85, 401 - Anonyme Anrufe

[43] vgl. zu dieser staatlichen Schutzpflicht bspw.Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht u.staatliche Schutzpflicht in HdbStR V, 1992, § 111; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S.70 ff; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 12.Aufl., Heidelberg 1996, S.26 f; Hans H.Klein, Die grundrechtliche Schutzpflicht DVBl 1994, S. 489 ff

[44] Wolfgang Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, Berlin 1994, S.417 und der Hinweis auf BVerfGE 79, 174, 201 f, 46, 160, 164, 53, 30, 48 ff; vgl.ferner BVerfG, NJW 1998, S.3264 f

[45] Roth a.a.O. (Fußn.51), S.422

[46] Pressemitteilung des Deutschen Bundestags vom 19.6.1998

[47] vgl. hierzu Focus v. 29.12.1997, S.125: "Noch nie übten die Kirchen soviel Einfluß auf Medien aus wie heute... Für ihren Medieneifer gaben die Kirchenfürsten 1997 fast soviel Geld aus wie für den Erhalt ihrer Gotteshäuser und Gemeindeeinrichtungen: Etwa 300 Millionen Mark werden jährlich den stetig sinkenden Kirchensteuereinnahmen entnommen. Hinzu addieren sich Firmenerlöse und Beteiligungsrenditen... In der Radiobranche haben die Kirchen teilweise schon die Meinungsführerschaft übernommen. Einige private Lokalradios beziehen bis zu 50 % ihrer Berichte von den subventionierten und damit preiswerten Kirchenredaktionen."

[48] vgl. BVerfGE 81, 242 ff: "Wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt, ist mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten. Wenn bei einer solchen Sachlage über grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt wird, müssen staatliche Regeln ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern... Gesetzliche Vorschriften, die sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegenwirken, verwirklichen hier die objektiven Grundentscheidungen des Grundrechtsabschnitts..." (255)